Vater


Klein, gedrungen geht er die Straße entlang. Ein wenig schlenkert er. Seine Knie machen nicht mehr mit. Wahrscheinlich schmerzen sie ihn in diesem Augenblick.
Der Asphalt ist trocken. Es ist Frühling. Seine Jacke, die er offen trägt, flattert an den Enden um seine Hüften.

Ich stehe beim Fenster und sehe ihm nach. Er hält inne, wendet leicht den Kopf, als habe er etwas vernommen.
Ich jedoch höre nichts. In meinen Ohren rauscht es dunkel.

Unmittelbar sehe ich, wie ich ihm nachblicke.
Ich sehe mich ihn sehen. Wie eine Wand baut sich Stille auf. Sie ist wie hellster Schnee.
Fast hat er das Hauseck erreicht, hinter dem er gleich verschwinden wird.
Noch nehme ich die Hälfte seines Körpers wahr, ein Bruchstück seiner Hände, seine Füße, den Kopf mit schütterem Haar.

Dann erfasst mich ein Gefühl mit aller Macht: In diesem Moment nehme ich der Trauer schon einen Teil vorweg. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn er nicht mehr zu sehen ist.

Wenn er für immer gegangen ist.
Gabriele Pflug

5 Kommentare:

  1. Ein intensiver Moment. Und ein berührender Text.
    Gruß
    Ule

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  2. Das ist ein echter Gabriele-Text. Leise und doch eindringlich, eine scheinbar alltägliche Beobachtung, die zugleich ans Grundsätzliche rührt. Genau wegen dieser Texte schau ich hier immer wieder gern vorbei! Danke und liebe Grüße!

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  3. ein unheimlich intensiver text, liebe gabriele, scheinbar banal und dabei doch so tiefgründig. bewegend!
    mit lieben grüßen,
    deine diana

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