gehen IV


mir grünt ein gedanke
in den sich verästelnden tag
eine in die wiesen geschriebene
fata morgana eines ewigen sommers

später,
wenn alle hügel das blau einläuten
werde ich mir ein herz nehmen
und das unsichere tal
verlassen
 
Gabriele Pflug

regenlicht


durchquert den tag
von sense zu sense
dengelt sich
ein ton der unruhe


Gabriele Pflug

der stand der dinge


ein vom regen
hinterlassenes grün
in teichen, pfützen, pflanzen
stimmen, innerster singsang
im versunkenen gras
vereinzelte hufabdrücke
von sommerpferden, wildlaunig
ihr haar und versprengte herzschläge

der wald ist heute ohne vorhang
weite sicht in richtung mittag
luftleicht leben
im rhythmus des lidschlags
überweist der himmel sein blau
an gebrochenen herzen
Gabriele Pflug

gehen III


eines tages wirst du
mehr und mehr anker lichten
durch deine finger wird
licht flirren der wind
dich von den küsten
immer weiter lösen
und das wort himmel
wird vor dir ins meer fallen
Gabriele Pflug

kindheit


kindheit:
wälder und flussgrün
über den feldern
aufgefädelte sonnenstunden
unter der sense der ton
des fallenden grases
brotzeit und erdäpfelkraut

schon früh treten
die toten in sein leben
bleiben bei tisch
mit freundlichem blick aufs kind
es rückt den stuhl näher
und weiß ihren schutz
in den nächten
wenn die sterne fallen
wenn die toten den zeigefinger
zum mund führen
und die stille ankündigen
beginnen sie zu tanzen
mit offenem haar

es gibt keine räume mehr
nur helle weiten
von wind umzäunt


Gabriele Pflug

 
 
 

 

nicht viel


vielleicht eine lichtung
inmitten abgedunkelter räume

einen unverstellten blick
auf die taumelnde zeit

vielleicht ein gedicht, gewachsen
aus dem mangel an worten
Gabriele Pflug

eines morgens


hat es sich ausgeträumt
das bittere des kaffees
ist wirklichkeit geworden
die welt
ist ins gedicht gestiegen
hat sessel
und tische umgeworfen
und das brot
hart gemacht
bücher wurden
von den stellagen gefegt
die seiten herausgerissen
wie abgestorbene flügel
liegen sie im staub
die liebe räumt
nicht mehr auf
sie hat sich
aus den zeilen gestohlen
und ist bereits
auf der flucht


Gabriele Pflug

gehen II


angedachte weiten: breit gewürfelte weizenfelder
manchem wächst der schwarze schlaf des mutterkorns
niemandes mund mehr den deinen nennen
nur noch umrisse von sätzen anderer
vorwurfsworte, blass und bleiche
bruchstücke eines vermeintlich ganzen
etwas zittert, fern
ein licht wie glas
leises klirren von wind in den halmen
Gabriele Pflug

gehen I


lied des hohen sommers
von den feldern her
simmern die kerne des weizens
aus den bäumen
fällt das echo der störche
und in bienenstöcken
werden sonnen gewebt

du wirst das haus deines freundes
nicht mehr betreten
der staub des himmels
wird in die poren dringen
in deine augen
die zu tränen gerührt
 
Gabriele Pflug

stille



wie das blatt sich neigt
als auch der mensch
dem abend zu, dem erdhauch
ins beharrliche schweigen
aus lichtbrüchen und tiefen atemzügen
in denen der tag immer mehr
seine stimme verliert
 
gabriele pflug