worte über worte


I

wir gehen mit den worten schlafen
und träumen von ihnen
ankert eines im himmel

II

aus dem gebirge stiegen sie
die luft war klar und schnee brach
von den flanken

die erde bebt, sagten die einen
andere hörten nicht einmal
den wind

wispernd kamen sie
in allen schattierungen
über dich

und du erblühst
wie von sinnen
im luftwirbel des worts
 
Gabriele Pflug

Alpha und Omega


Lichter entlang des Flusses
bewohnt Luft die Erde
zwischen den Welten
zu Wasser und Land
ein Zittern
von Millionen Molekülen

Wie hinter Passepartout
der Gedanke:
In jedem Anfang keimt das Ende
 
Gabriele Pflug

Weithin ruhendes Land

Die Sterbebarken führen Licht
den Fluss entlang.

Am Ufer bricht ein Ruf
das Schweigen.

Bepflanze
die Ränder neu!


Gabriele Pflug

Überschrift: noch unbekannt



Sie werden wieder gehisst:
Flaggen falscher Hoffnungen
peitschen uns
in einen unbekannten Frühling.

Die schläfrigen Mittage
rücken in weite Ferne.

Du versuchst Haltung zu bewahren.
Nur so verlierst du vielleicht
nicht den Blick auf dich.
 
Gabriele Pflug

Abendbild

Letztes flackerndes Grün
eine Frau auf dem Feldweg
ruhelos, diese jähe Stille.

Etwas stemmst du
immer der Zeit entgegen:
Verse, Vogelstimmen, gesummte Töne.

Gibt es sie noch?
Landschaften, die du schreibend erkundest.
Weggabelungen, die wie Sternbilder gelesen werden.

Mondfarbige Nächte und der Wind
ein seidener Fächer, der sich
über den aufkommenden Abend öffnet
.

 
Gabriele Pflug
 
 

Morgenbild


Hartes Licht zeichnet ein Bild in den Morgen.
Kältestarre. Die Hände sind noch zu nichts

zu gebrauchen.
Nur die Augen nehmen sich ein Herz und formen Gedanken.

Morgenstund ohne Gold.
Im Mund ein schaler Geschmack

kommender Verpflichtungen.

Was weiß ich eigentlich über die Trägheit

eines Nachmittags:
An dem die Luft lind, der Atem leicht
und der Wald sich lichtete, weil ein Erzengel

schwarz und schwer
aus dem Tannicht stieg.

Gabriele Pflug

Wald


Ich möchte nicht anders leben
als mit dir im Rücken
die wiegende Bewegung
bewohnt meinen Schlaf
und ich träume in deinen Gezeiten
das Wort der Dichter bleibt
an dich gerichtet auch wenn du
längst Beute von Zahlen wurdest

Verse sind unsterblich
sie wachsen dort
wo kein Gras mehr
den Boden berührt

Bäume
meines Gedächtnisses
unsichtbar ruft euch
der dunkle Wald

Gabriele Pflug

Gepresstes Ahornblatt

Wir bestaunen den abgestürzten Mond
und gehen grußlos an Bäumen vorbei
an den dichten Schatten ihrer selbst

Verzückt steht ein Künstler
vor seiner schwarzen Leinwand
übt sich in Strichen und Punkten
hat vergessen, was in alten Versen stand
vergessen, auf eine Welt, die kurz erblüht
im leichten Licht grünender Knospen

Spurenleser sind längst ausgestorben
ihre papierenen Rollen verschollen

Manchmal findet jemand zwischen
zwei Gedichtseiten ein gepresstes
Ahornblatt, fein beschrieben
nach seiner Herkunft, seinen Vorlieben
und wie es sich nach dem Wind richtete
der ihm übers Haar streifte, zaudernd


Gabriele Pflug

Für meine Mutter


die Tür geschlossen
die Faust ebenso der Mund
keiner kommt über die Schwelle
aus dem Wald weinen dünne Stimmen
und du übst den Refrain

nur noch eine Ahnung abgestorbener Tage
wie Wochen aus halbem Atem
halb Leben halb Tod
hörst du manchmal ein Ticken
aus dem Hohlraum im Feld
 
Gabriele Pflug

Lesen

/für Ule/

ganze Welten strömen ans Ufer
wenn ich ein Buch öffne

Gabriele Pflug