ohne titel/2


der morgen ist
eine sich aufblätternde welt
eine lichtbenetzte landschaft
durchzogen vom hahnenschrei
der längst als exilant
in den wäldern lebt

es soll noch menschen geben
die auf feldern nach worten schürfen
und sie an zweige hängen

für die träume
nachgeborener

Gabriele Pflug

ohne titel/1


widerhall eines versunkenen landes
blass fällt sein ton ins ohr

im nebel der gesänge
liegen zitternd die wälder

Gabriele Pflug

licht der provence

meere fluten und sonnen
benetzen die landschaft

cezanne steigt übers gebirge
und spricht zu seinen farben

Gabriele Pflug

wenn der herbst

blumen binden lässt
zu einem bouquet
mit ein wenig himmel
grau beschleift
und der erde grußlos
zu füßen legt

erfindet sich ein gedicht
ins dunkel, wurzeltief


Gabriele Pflug

für meine mutter


leg fleisch aus für die füchse
in einer versunkenen welt,
in dem wald, der immer jung
in deinen augen grünt

wenn du den innenhof deines lebens
mit langen schritten abzählst
schau nicht auf die uhr
ihre zeiger verweisen nur
auf vergangenen schmerz

der nächste schneesturm wird
die begrenzungsmauern verwehen
und heller wird die sicht
auf dich
Gabriele Pflug

herbst


auf dem küchentisch liegengebliebene
reiskörner, ihre blässe
lässt dich an den kommenden winter denken
an den tod, der durch die bäume streift
für unbestimmte zeit
bleibt der pass in deinem besitz

auf den feldern der geruch von rehen 
ihre abgehetzten laute
zitternde luft zwischen den halmen

du isst knoblauch
doch der teufel steckt fest
müde magst du nicht mehr
nachdenken über abgründe
das glück kann sich erträumen
wer daran glaubt, versprechen rezepte
ohne rücksicht auf wirklichkeiten

die schatten in den ecken
singen mit dünnen stimmen
du hörst sie auch, wenn sie schweigen

der pförtner der dunkelheit heißt herbst
noch ist nicht aller tage abend
viel grau und grobes licht auf dem flur

wann hast du das letzte mal geträumt?


Gabriele Pflug

totenlied für den wald


für jeden gefallenen
macht der wald ein kreuz
und weicht einen schritt zurück

dieser herrliche herbst hungert
nach land nach beton

behelmte erobern einen hügel

nach dem anderen die südflanke
wird nicht mehr lange halten

unverzüglich schreiten
die sägen voran
 
Gabriele Pflug

von all den sommern


von all den sommern
gibt es einen der trug reichlich
frucht und worte zwischen uns
blieben nur gegen mittag
schwüre gänzlich aus

in der stille roch es
nach feuchtem moos
und haut sprach von erschöpfung
wenn regen die hitze gelöscht
blieben die bäume
in ihrer wärme noch
lange hingen die äpfel
und reiften stück für stück
 
Gabriele Pflug

im herbstgarten

steigt die sonne spät
in den tag reifendes blau

sickert durch sträucher
fülle und kommende leere

im herbst sinkt der garten
in sich in den eigenen atem

fern eines himmels
voll licht


Gabriele Pflug

die sonnenuhren sind stehen geblieben


ausgesommerte wege
die hellen samen der steine
haben letzte wärme in die nacht gestreut

deine stimme führt nicht
über das leise wort des abschieds hinaus
sie bleibt dem haus des winters treu

jeder weitere mond verliert an licht
es ist, als würden all die jahre
ihre kreise nach innen ziehen

du hungerst und frierst
und auch der wind wird
deine träume nicht mehr entfachen

die sonnenuhren sind stehen geblieben
 
Gabriele Pflug

in memoriam


für Markus (1959-2016)
und ein schlaf
wuchs dir ans herz
ein letzter, tiefer

verzweigten die bäume sich
stille strich über die felder
und eine späte lichtsaat ging auf

kein himmel stürzte ein
als du alle stufen
auf einmal nahmst

Gabriele Pflug