gedanken zur kommenden winterzeit


I
das schweigsame motto des schnees:
du und dein weg über die rücken
des tages früh ins warme
bevor das dunkel
die spur verschlägt

II
die andere zeit/ schon nahe genug
und deine frage: wie überlebst du
diesen einsamen und schweigsamen winter?

ich lese gedichte

Gabriele Pflug

Alle Tage einer Woche- Sonntag

Für F

Der Herbst reift im Stillen,
in den Eichenalleen fallen
lichter werdende Farben.

Die Gärten bewohnen Schweigen und Schatten.

Um mein Handgelenk legt sich
zarter Herbstfaden.

Ich weiß, ich weiß, flüstern die Astern.
Scheu auch der Ruf
des Winds.

Gabriele Pflug

Alle Tage einer Woche- Samstag


für R

Was den Herbst ausmacht:

Frühes Dunkel, die Beständigkeit der Bücher
Unter den Lidern nun ein Schweigen aus Gold.

Keine Seele geht verloren, sagt man.
Doch die Zeit meint es anders.

Du selbst verlierst dich
jeden Tag mehr im Wirbel der Rotationen.
Eine endende Geschichte.
Zuletzt nur ein Echo,
kurz und schon nicht mehr
vertraut.

Gabriele Pflug

Alle Tage einer Woche- Freitag


für D

Herbstsonate in Moll. Die ersten Gesänge
erreichen dich
aus den nahen Wäldern.

Mit dem November fällt schwerer das Licht über die Hügel.

Gleichmäßig atmest du
im Takt der Pflüge,
die Furchen ziehen in die Leere.

Genug Zeit für Träume,
die bis in den Morgen reichen.
Dunkel und überreif.


Gabriele Pflug

Alle Tage einer Woche- Donnerstag


für J

Herbstmorgen. Eine Schärfe
liegt heute länger in der Luft.
Geschichten über die Ankunft der Kälte.

Die vielen Bruchstellen
quer durch das Leben
verraten dein Alter.

Augenringe aus Schmerz.

Die Hände von Mayröcker
wie sie Rosen zähmt
eine jede zugleich emporhebt
aus der Erde in Buchseiten presst.

Das Herbstgedicht wird den Winter nicht überdauern
.

Gabriele Pflug

Alle Tage einer Woche- Mittwoch


für D

Dein Gedächtnis eicht Sätze
aus den Geschichten anderer Leben.
Genug hast du davon gehütet
und schwer wiegt das Erinnern.

Du verkaufst deine Träume
an die Fragen des Analytikers
und erhältst eine Leere
wie Winter, wie Schnee
in dem du ganz Kind darin
versinkst.

Gabriele Pflug

Alle Tage einer Woche- Dienstag

für A

Wie der harte Wind
der einen Vorwand sucht
in dein Haus zu gelangen
stellst du falsche Berechnungen an
für die männliche Kraft deiner Worte

Und dich
und deine eingeübten Atemzüge
durchstreift die Kälte
des immerwährenden Verlusts
genau hier
an diesem ganz besonderen Morgen
eines schwebenden Lichts



Gabriele Pflug

Alle Tage einer Woche - Montag


für M

Du weißt um die Kälte
der Endlichkeit beim Betreten der Nacht
du kannst nicht weiter gehen
als die Berechnung ergibt

jedem seine Schrittzahl

auf Bitten um Verlängerung
reagiert man gelassen bis taub
 
Gabriele Pflug

was wäre


wenn du aus deinen erzählungen schlüpftest
aus den versuchen
eine sprache für deine herzschläge zu finden
die du blind verstehst
für einen moment der gedankenlosigkeit
würde der himmel dich
nicht mehr bedrängen
die formel zu suchen
die dein leben ausmacht
in seiner weite und enge
kein klagen kein sehnen
mitunter nur ein schauer von glück

Gabriele Pflug