Hobbingen 6



Jetzt fehlt nur noch der Vorgarten und die Erde, die zu einem Hügel aufgeschüttet wird.
Das Hobbithaus ist 160 cm hoch und 7 Meter lang.

Das Schiff

für Monika B. (1974-2018)

Es war ziemlich stürmisch an diesem kalten Wintermorgen.
Im Zwielicht des Morgengrauens hatten die Menschen im Hafen gewartet. Manche ängstlich und weinend, doch einige hatten erfreut gewinkt, als sie das graue Schiff in den Hafen steuern sahen.
Schwer beladen stachen sie anschließend in See. Der Steuermann stand vorne. Er war ein verschlossener Mann mit grauen Augen, die jedoch seltsam leuchteten. Einige fassten sofort Vertrauen zu ihm, grüßten ihn freundlich oder strichen ihm sachte über den Ärmel.
An Bord waren alle Altersklassen und Menschen jedweden Berufes.
Gesprochen wurde kaum und wenn, dann nur geschluchzt.
Stumm blickten sie auf den Rücken des Steuermannes. Als er sich zu ihnen umdrehte, hielten sie den Atem an.
„Ihr wisst! Es gibt kein Zurück. Und auch das Ziel ist unbekannt. Mehr kann ich euch nicht sagen. Ihr müsst damit zurechtkommen. Es gibt keinen sichtbaren Ausweg für euch! Noch nicht!“
Eine schwere Trauer legte sich über die Köpfe der Reisenden. Niemand blickte auf. Manche starrten auf ihre Hände, andere verhüllten ihr Gesicht, damit ihre Tränen nicht gesehen wurden.
Doch ein Mädchen, die jüngste Passagierin unter ihnen, gab sich einen Ruck und stand auf. Trotz des Wellengangs lief es auf den Steuermann los, lehnte sich an die Reling und rief hell in die klare Meeresluft.
„Seht doch nur den Sonnenaufgang! Solch ein Licht habe ich noch nie gesehen. Es ist nichts im Vergleich mit den Morgen, Mittagen und Abenden an Land!“
Der Fährmann strich ihm übers Haar und seine Augen sagten: „Du hast verstanden.“
 
Liebe Monika, ich denke, du warst am Ende deines kurzen Lebens vielleicht dieses Mädchen!
Gabriele Pflug

Mein Papa ist der Größte

 
             Ich komme aus der Familie der Fleischesser.

Meine besondere Freude ist es, wenn ich am Sonntag bei einem fetten Schweinebraten meinem Papa zuhöre, wie er von den Vorzügen des Fleischkonsums redet. Zwischendurch erzählt er Witze und macht den Blick eines Schweinchens nach, das kurz vor der Schlachtung steht.

Meine Mama und ich müssen uns die Bäuche vor Lachen halten.

Nur meine Schwester verdirbt mir in letzter Zeit die gute Mittagslaune.

Lustlos stochert sie in ihren Fleischstückchen herum und verdreht provokant die Augen, wenn ich Papa um neue Witze bitte.

Mama ist auch schon ganz bekümmert, weil Irene scheinbar der Appetit vergangen ist.

Wenn sie gefragt wird, dann zuckt sie nur miesmutig die Schultern und schiebt den Teller in die Tischmitte.

Aber Papa tätschelt Mamas Arm und meint: „Das wird schon wieder. Das ist die Pubertät. Da sind die Kinder etwas aufmüpfig. Spätestens zu Weihnachten wird sie wieder zur Vernunft kommen und deine Schnitzel mit Heißhunger hinunter schlingen.“

Auf meinen Papa bin ich sehr stolz. Er liest viel, besonders die Postwurfsendungen werden genauestens unter die Lupe genommen. So sparen wir beim Einkauf viel Geld, denn manchmal gibt es ganz in der Nähe tolle Angebote.

Noch fahren wir einen Golf VW. Papa meint, dass es an der Zeit wäre, ein neues Auto anzuschaffen. Ein größeres, mit viel Platz im Kofferraum.

Mein Papa ist auch ein sehr entschlossener Mensch und weiß genau, was zu tun ist.

Meine Lehrerin erklärte uns Schülern vor kurzem im Biologieunterricht, dass wir indirekt an der Hungerkatastrophe in anderen Ländern schuld wären, die ja Gott sei Dank weit entfernt von Europa sind.

Ich war verstört und wollte beim Mittagessen kein Fleisch essen. So wütend habe ich meinen Papa schon lange nicht mehr gesehen.

„Was fällt dieser blöden Kuh eigentlich ein. Mischt sich da in unser Familienleben ein, das Sie gar nichts angeht. Ich werde gleich den Direktor, nein besser noch, den Bezirksschulinspektor informieren. Dem werde ich mal erzählen, wie seine Lehrer Kinder verhetzen!“, fauchte er, während er ein von Fett triefendes Fleischstück auf seinen Teller schob.

Das nenne ich Mut und so lerne ich viel von meinem Papa.

Mein Papa ist auch das Oberhaupt der Fernbedienung. Wir lieben es, wenn er uns die lustigen und lehrreichen Fernsehspots sucht.

Mama ist dann immer ganz entzückt und stellt eine Riesenportion Pommes und frittierte Würstchen auf den Tisch.

Wenn an einem Sonntag schönes Wetter ist, machen wir gerne einen Tagesausflug nach Salzburg.

Am liebsten kehren wir in das Gasthaus „Zur goldenen Jagd“ ein. Dort gibt es die weltgrößten Schnitzel, wie mein Papa immer so schön sagt.

Wenn die Kellnerin mit dem Essen angerauscht kommt, hängt es daumenbreit über den Tellerrand.

Meist ist mein Papa so gut gelaunt, dass er uns danach ins Kaffeehaus einlädt.

Bevor wir nach Hause fahren, stärken wir uns noch mit einer Bretteljause.

Am Abend seufzt Mama: „Das war wieder ein wunderschöner Tag, Fredl. So was müssen wir öfters machen.“

Montage mag ich nicht so sehr. Da ist Schule und manche Kinder sind so gehässig.

Weil ich etwas stärker bin als andere Kinder, werde ich oft gehänselt.

„Da kommt Schweinchen Dick“, rufen sie mir nach und wackeln mit ihren Hintern.

Dann verziehe ich mich in die hinterste Ecke und beiße von meiner mit Speck belegten Semmel ab. Es dauert nicht lange und die Welt ist für mich wieder in Ordnung.

Mein Papa hat gesagt, dass ich ihm nur die Namen zu sagen brauche und er wird es ihnen zeigen. Auf ihn ist einfach Verlass und das beruhigt mich.

Manchmal weine ich, aber das sage ich meinen Eltern nicht.

Ich weiß auch gar nicht, warum.

Mein Papa wäre sicher enttäuscht, wenn er von meinen Tränen wüsste.

Gabriele Pflug