JULIE/VIII

VIII

Ich lausche ihrer rauchigen Stimme. Bei manchen Wörtern kippt sie ins Harte. Wenn sie mein Mann sagt oder bissig vom Land, wo die Zitronen blühn spricht. Moro-Ribul heißt sie jetzt.
Ich hole das Hochzeitsphoto aus der Schublade.
Lange betrachten wir es. Er, im schlecht sitzenden Anzug, sie, in einem einfachen, dunklen wadenlangen Kleid.
Mit der einen Hand hält sie ihren Hut, als würde sie einen Luftwirbel spüren.
Beide schauen ernst in die Kamera.
Sie hakt sich bei ihm ein. Wie teilnahmslos hängen seine Arme runter. Die rechte Hand leicht zur Faust geballt.
Siehst du das, Julie, flüstere ich und streiche über die Photographie.

Julie steigt aus dem Bild. Lässt ihn dort alleine zurück.
Das Kind brauche sie, die Gnädige fühle sich nicht wohl.
Er geht nicht in die kleine Wohnung, lieber treibt er sich am Alten Markt herum.
Immer dieses Gescherr mit den Weibern, sagt der in Italien geborene, seit Jahrzehnten in Wien lebende Glaserer.


Gabriele Pflug

4 Kommentare:

  1. Sie wird mir lieb, deine Julie, und ich sorge mich um sie.
    Wie viele Vorstellungen du freisetzt durch das Erzählen in Fragmenten!

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  2. Ein neuer Annäherungsentwurf: das gemeinsame Betrachten des Bildes durch Schöpfer(in) und Geschöpf, im (feministisch-)schwesterlichen Nebeneinander - und ein schlüssiger Ansatz, um über Geschlechterrollen nachzudenken.

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    1. du begeisterst mich mit deinen wunderbaren gedanken über dieses kapitel!

      gabriele

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