JULIE/IV

IV

Dann sehe ich sie wieder.
Sie ist mit Karli, dem Kind der Herrschaften, unterwegs. Er ist ein Jahr alt und sie beugt sich über ihn, als wäre sie seine Mutter. Sag Mama, bettelt sie.
Vorsichtig schiebt sie den Kinderwagen über die Kieswege im Prater.
Der Tag ist sehr hell. Sie lächelt die gesamte Strecke. Das Kind schläft. Immerzu möchte sie summen.
Karli wächst in einem raschen Tempo. Und ihr ans Herz.
Ich glaube, sie ist glücklich.

1914 ist sie zweiundzwanzig. Karli bald fünf.
Sie rennt kopflos durchs Haus. Die Gnädige hat einen Schreikrampf bekommen.
Wohin mit dem Schmuck? Wo Zucker, wo Schmalz bekommen, in dieser schwierigen Zeit?
Die Welt ist verrückt geworden. Sie drückt den Buben alle paar Minuten an sich.
Jetzt nur nicht überschnappen, Julie, schärft sie sich ein.

Zwei Jahre später stirbt der Kaiser. Durch Wien geht eine Erschütterung.
Julie ist mitten im Krieg.


Gabriele Pflug

2 Kommentare:

  1. Den Versuch, das 'kleine Glück' und die 'unglückselige Weltgeschichte' zusammenzubinden (so lese ich es, vielleicht auch falsch), finde ich ein bisschen gezwungen. Ich überlege noch, woran das liegt...

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    1. vielleicht hat sie gerade deshalb, weil sie dieses kleine glück erlebte, das schwere so gut durchhalten lassen.
      aber ich werde auch noch darüber nachdenken, ob dieses kapitel nicht auch anders geschrieben werden könnte.
      danke dir!
      gabriele

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