Meine besondere Freude ist es, wenn ich am
Sonntag bei einem fetten Schweinebraten meinem Papa zuhöre, wie er von den
Vorzügen des Fleischkonsums redet. Zwischendurch erzählt er Witze und macht den
Blick eines Schweinchens nach, das kurz vor der Schlachtung steht.
Meine Mama und ich müssen uns die Bäuche
vor Lachen halten.
Nur meine Schwester verdirbt mir in letzter
Zeit die gute Mittagslaune.
Lustlos stochert sie in ihren
Fleischstückchen herum und verdreht provokant die Augen, wenn ich Papa um neue
Witze bitte.
Mama ist auch schon ganz bekümmert, weil
Irene scheinbar der Appetit vergangen ist.
Wenn sie gefragt wird, dann zuckt sie nur
miesmutig die Schultern und schiebt den Teller in die Tischmitte.
Aber Papa tätschelt Mamas Arm und meint:
„Das wird schon wieder. Das ist die Pubertät. Da sind die Kinder etwas
aufmüpfig. Spätestens zu Weihnachten wird sie wieder zur Vernunft kommen und
deine Schnitzel mit Heißhunger hinunter schlingen.“
Auf meinen Papa bin ich sehr stolz. Er
liest viel, besonders die Postwurfsendungen werden genauestens unter die Lupe
genommen. So sparen wir beim Einkauf viel Geld, denn manchmal gibt es ganz in
der Nähe tolle Angebote.
Noch fahren wir einen Golf VW. Papa meint,
dass es an der Zeit wäre, ein neues Auto anzuschaffen. Ein größeres, mit viel
Platz im Kofferraum.
Mein Papa ist auch ein sehr entschlossener
Mensch und weiß genau, was zu tun ist.
Meine Lehrerin erklärte uns Schülern vor kurzem
im Biologieunterricht, dass wir indirekt an der Hungerkatastrophe in anderen
Ländern schuld wären, die ja Gott sei Dank weit entfernt von Europa sind.
Ich war verstört und wollte beim
Mittagessen kein Fleisch essen. So wütend habe ich meinen Papa schon lange
nicht mehr gesehen.
„Was fällt dieser blöden Kuh eigentlich
ein. Mischt sich da in unser Familienleben ein, das Sie gar nichts angeht. Ich
werde gleich den Direktor, nein besser noch, den Bezirksschulinspektor
informieren. Dem werde ich mal erzählen, wie seine Lehrer Kinder verhetzen!“,
fauchte er, während er ein von Fett triefendes Fleischstück auf seinen Teller
schob.
Das nenne ich Mut und so lerne ich viel von
meinem Papa.
Mein Papa ist auch das Oberhaupt der
Fernbedienung. Wir lieben es, wenn er uns die lustigen und lehrreichen
Fernsehspots sucht.
Mama ist dann immer ganz entzückt und
stellt eine Riesenportion Pommes und frittierte Würstchen auf den Tisch.
Wenn an einem Sonntag schönes Wetter ist,
machen wir gerne einen Tagesausflug nach Salzburg.
Am liebsten kehren wir in das Gasthaus „Zur
goldenen Jagd“ ein. Dort gibt es die weltgrößten Schnitzel, wie mein Papa immer
so schön sagt.
Wenn die Kellnerin mit dem Essen
angerauscht kommt, hängt es daumenbreit über den Tellerrand.
Meist ist mein Papa so gut gelaunt, dass er
uns danach ins Kaffeehaus einlädt.
Bevor wir nach Hause fahren, stärken wir
uns noch mit einer Bretteljause.
Am Abend seufzt Mama: „Das war wieder ein
wunderschöner Tag, Fredl. So was müssen wir öfters machen.“
Montage mag ich nicht so sehr. Da ist
Schule und manche Kinder sind so gehässig.
Weil ich etwas stärker bin als andere
Kinder, werde ich oft gehänselt.
„Da kommt Schweinchen Dick“, rufen sie mir
nach und wackeln mit ihren Hintern.
Dann verziehe ich mich in die hinterste
Ecke und beiße von meiner mit Speck belegten Semmel ab. Es dauert nicht lange
und die Welt ist für mich wieder in Ordnung.
Mein Papa hat gesagt, dass ich ihm nur die
Namen zu sagen brauche und er wird es ihnen zeigen. Auf ihn ist einfach Verlass
und das beruhigt mich.
Manchmal weine ich, aber das sage ich
meinen Eltern nicht.
Ich weiß auch gar nicht, warum.
Mein Papa wäre sicher enttäuscht, wenn er von
meinen Tränen wüsste.
Gabriele Pflug
Gabriele Pflug
eine wunderbare geschichte, berührend, und in seiner scheinbaren einfachheit so feinsinnig und hintergründig. sehr schön! du hast die gabe, dich in menschen hineinzuversetzen und dazu ein großes erzähltalent! ich liebe deine art zu schreiben :)
AntwortenLöschenganz herzliche grüße
deine diana
Liebe Gabriele,
AntwortenLöschendeine Geschichte hat Tiefgang, mit vielen Aussagen. Der liebende Papa besitzt Autorität. Die Liebe der Kinder zu ihm geht so weit, dass sie lieber im stillen Kämmerlein weinen, als sich zu wehren, Daheim und im Umfeld. Vielleicht musste er als Kind um jeden Happen Fleisch ringen... Alles in allem liebt er seine Familie, er zieht ins Feld, wenn den Kindern Unrecht geschieht (in seinen Augen). Liebe kann viel anrichten.Sie kann mästen, sie kann erdrücken.
Mir ist dieser Papa lieber als manch einer in der Nachbarschaft. Lieber ein Stück Fleisch als immer nur triefende Pommes und andere Fertiggerichte, lieber ein wenig zu viel Liebe, als Brüllen und Schläge...
Du Liebe, ich könnte noch so viel ins Feld führen, aber du weißt, was ich meine. Zuviel ist halt von allem irgendwie ungesund.
Dir eine gute Zeit
mit ganz lieben Grüßen
von mir, der noch nicht so ganz
fitten Edith.