Gepresstes Ahornblatt

Wir bestaunen den abgestürzten Mond
und gehen grußlos an Bäumen vorbei
an den dichten Schatten ihrer selbst

Verzückt steht ein Künstler
vor seiner schwarzen Leinwand
übt sich in Strichen und Punkten
hat vergessen, was in alten Versen stand
vergessen, auf eine Welt, die kurz erblüht
im leichten Licht grünender Knospen

Spurenleser sind längst ausgestorben
ihre papierenen Rollen verschollen

Manchmal findet jemand zwischen
zwei Gedichtseiten ein gepresstes
Ahornblatt, fein beschrieben
nach seiner Herkunft, seinen Vorlieben
und wie es sich nach dem Wind richtete
der ihm übers Haar streifte, zaudernd


Gabriele Pflug

7 Kommentare:

  1. großartig!
    du schreibst so wunderbare gedichte, liebe gabriele, immer wieder finde ich so erstaunliche bilder bei dir, die eine ganz eigene sichtweise, einen ganz anderen zugang ermöglichen und weit öffnen.
    wirklich ganz und gar wunderbar. :)
    mit sonnigen grüßen,
    deine diana

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  2. liebe Diana,
    mich freut es riesig, welch wunderbare worte du für das gedicht findest!
    danke!
    deine gabriele

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  3. Du hast Recht, liebe Gabriele - wir leben zu "schnell" und vergessen und übersehen die kleinen großen Dinge, die doch viel, viel wichtiger wären.
    Ein wundervolles, sehnsuchtbelebendes Gedicht
    Alles Liebe,
    Michael

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    1. lieber Michael,
      du sagst es ganz richtig!
      wir glauben, die welt neu erschaffen zu können. pflanzen, tiere (auch menschen)...alles kein problem.
      und stirbt etwas aus, dann ist das halt geschichte. macht doch nichts. wir sind ja so fortschrittlich. in allen dingen!?!

      danke für deinen besuch!

      mit lieben grüßen
      Gabriele

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  4. Vielmals sind wir in Gedanken versunken und sehen nicht hin, dabei vergessen wir das Essentielle...das Leben.
    Herzlich. Priska

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    1. ...oder wir sehen es als selbstverständlich an, dass alles für unser wohlbefinden jederzeit vorhanden sein muss, ohne uns darum bemühen zu müssen.

      danke für deine antwort!

      liebe grüße
      gabriele

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  5. Poetische Prosa, ganz unprosaisch, oder doch ein Gedicht mit erzählendem Ton - du bist so frei, dir deine eigenen Gattungen zu schaffen, wie du sie brauchst, und das gelingt dir auch noch!
    Ein nachdenklich stimmender Text über die Gedankenlosigkeit, das Vergessen, Vergehen und Bleiben, der mir gut gefällt in seiner Unbestimmtheit.

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