zeilen an jemanden, der nicht (mehr) da ist


ich höre deine schritte, immer höre ich sie
auf der schwelle, die das leben teilt:
in innen und außen
deine nackten füße stecken fest
im fort und hier sein
morgens gehe ich durch dich hindurch
spüre warme luft eines körpers
im mauerwerk noch gerüche
nach heu und fell von tieren

ich kann die tür nicht mehr schließen
seit du hier stehst und gehst
zugleich


( für Anton, 24. 3. 2015)

Gabriele Pflug

von der sehnsucht 2


schaukelndes atmen überall hin
streift mein blick den himmel
zwischen den birken franst licht aus

fällt winterlich die zeit
aufs papier das wort
eine vererbte sehnsucht
weiter nichts wurde mir
in die wiege gelegt
Gabriele Pflug

Heimat


nasskaltes Erzittern
Atemstaub auf Nachttischen
ein Stern zwischen zwei Bäumen, fern
eine Lichtlinie

und dennoch:
im Schweren zuhause
 
Gabriele Pflug

Weihnachten 2016

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern
ein friedvolles und erfüllendes Fest!
Danke für die Lesetreue!

Herzlichst
Gabriele

Schatten


nicht, dass der Schatten
seinen Schmerz verloren hätte
doch immer seltener sinkt
er von den Bäumen
aus dem Holundergrau
mit einer Handvoll Trost

nun fällt er von den Menschen
an seinen Sätzen hängt
der Atem heißer Wörter
und übertönt was früher
leise zu meinen Füßen lag
 
Gabriele Pflug

frühe Stille


die Brache des Morgens
noch ungesät mit Worten
eine stille Insel
 
Gabriele Pflug

Advent


von der Hoffnung berührt
machen wir uns auf den Weg
die Abtei des Lichts öffnet ihre Pforte
und ein Schneewort nach dem anderen
wispert zu Boden

voll Rätsel bleibt die Sprache der Engel
 
Gabriele Pflug
 

Engel


versinkender Mond gegen Morgen hin
wendet sich die Stadt silberne Kuppen
im ausgeblichenen Blau ein letzter Flug
des Nachtengels sichtbarer dunkler Flaum
für einen Moment steht der Wind unbeweglich
über seinem lautlosen Wintergebet
 
die Übergabe der Namen an den Tagwächter
findet in aller Stille statt
 
Gabriele Pflug

an die Freundin


Wo noch Überlandleitungen
Nachrichten verschicken

ein Knistern von Wörtern
zwischen dir und mir

öffnet sich der Himmel manchmal
wenn wir sie entschlüsseln

Für Diana/meine Schreibfreundin
 
Gabriele Pflug

die unerträgliche Zeit


steigt an mein Herz
das Wasser Sterbender
lässt den Sommer ausbluten
und hinterlässt Scherenschnitte
voll Schatten
Gabriele Pflug
 
In Aleppo werden in Kellern Kinder und Erwachsene ohne Betäubung operiert.Wir schreiben das Jahr 2016.